Sehr geehrter Herr Bürgermeister,

wir bitten darum, folgende Anfrage für die nächste Sitzung des Rates am 5. Oktober 2021 auf die Tagesordnung zu setzen und schriftlich zu beantworten:

  1. Wurden durch das Wahlbüro beim Versand und der Bearbeitung von Briefwahlunterlagen zur Bundestagswahl 2021 Unregelmäßigkeiten im Sinne von § 75 Bundeswahlordnung (BWO) registriert? Falls ja: In welchem Umfang belaufen sich diese und in welcher Weise wurden diese ggf. behoben?
  2. Wurden zur Bundestagswahl 2021 in den Direktwahlbüros in der Stadtmitte, in Bensberg und in Refrath im Rahmen des städtischen Angebots, vor dem eigentlichen Wahltag seine Stimme abzugeben, Unregelmäßigkeiten registriert? Falls ja: In welchem Umfang belaufen sich diese und in welcher Weise wurden diese ggf. behoben?
  3. Gab es bis einschließlich zum Wahltag am 26. September 2021Unregelmäßigkeiten im Rahmen der Briefwahl oder der Direktwahlbüros, die nicht final geklärt werden konnten?
  4. Plant die Stadt, über die Bundestagswahl 2021 hinaus an Direktwahlbüros zur verfrühten Stimmabgabe bei Wahlen festzuhalten?
  5. Wie bewertet die Stadt vor diesem Hintergrund explizit bescheinigte Risiken und verfassungsrechtliche Bedenken im Rahmen der Briefwahl?[1]

Anmerkung: Der Anteil an Briefwählern in Bergisch Gladbach liegt auf einem Rekordhoch.[2] Dies entspricht dem bundesweiten Trend und zeichnete sich aufgrund der Corona-Situation auch hier früh ab.[3] Der Mehraufwand macht anfällig für Wahlpannen. So ist es zuletzt aufgrund eines Fehlers einer Aushilfskraft im Wahlamt des Bezirkes Aachen-Laurensberg bei den beantragten Briefwahlunterlagen zu einem Doppelversand von Wahlscheinen gekommen.[4] Durch eine Maschinenstörung bei einem von der Stadt Köln beauftragten Druckdienstleister ist es bereits 2013 im Wahlkreis 95 Köln III zum doppelten Versand von Briefwahlunterlagen gekommen. Eine Rückverfolgung der Fehlerquote war in beiden exemplarischen Fällen nicht mehr möglich.

Es ist in der Vergangenheit immer wieder zu Unregelmäßigkeiten bei Wahlergebnissen gekommen. Betroffen sind grundsätzlich alle Parteien. So wurden z.B. der AfD bei der nordrhein-westfälischen Landtagswahl 2017 nach einer Nachzählung 2.204 zusätzliche Zweitstimmen zugeschlagen. NRW-Wahlleiter Wolfgang Schellen ging nach WDR-Angaben davon aus, dass die Fehler bei der Auszählung irrtümlich passiert sind. Er könne vorsätzliche Manipulation aber nicht ausschließen.[5]

Mit freundlichen Grüßen

Carlo Clemens                                                                                 
Fraktionsgeschäftsführer

[1] „Das Bundesverfassungsgericht hatte mehrfach über die Zulässigkeit der Briefwahl zu entscheiden und hat festgestellt, dass die Briefwahl die Wahlrechtsgrundsätze der Freiheit, Geheimheit und Öffentlichkeit einschränkt. (…) Das Gericht hat (…) darauf hingewiesen, dass eine deutliche Zunahme der Briefwähler mit dem verfassungsrechtlichen Leitbild der Urnenwahl, die die repräsentative Demokratie in besonderer Weise sichtbar und erfahrbar mache, in Konflikt treten könne.“ Siehe: Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestages: Zur Verfassungsmäßigkeit von reinen Briefwahlen. Aktenzeichen: WD 3 – 3000 – 074/20 vom 23.03.2020. Online unter: https://www.bundestag.de/resource/blob/696598/af83c510189ab492c0506172f3863ca8/WD-3-074-20-pdf-data.pdf.

[2] Vgl. Uta Böker: Fast die Hälfte hat schon gewählt. Die Briefwahl wird immer beliebter – was jetzt noch für eine gültige Stimmabgabe zu beachten ist. In: Bergische Landeszeitung vom 23.09.2021, S. 35.

[3] Vgl. https://www.bergischgladbach.de/newsdetails.aspx?newsid=36509.

[4] Vgl. https://www.aachen.de/DE/stadt_buerger/politik_verwaltung/pressemitteilungen/Briefwahl_Laurensberg_Doppelversand.html.

[5] Vgl. https://www.focus.de/politik/deutschland/landtagswahl_in_nordrhein-westfalen_2017/nrw-so-erklaert-ein-experte-ungewoehnlich-hohe-stimmabweichung-zu-lasten-der-afd_id_7175075.html.

(Anfrage als PDF)